Travnik
Travnik (kyrillisch: Травник, 57000 Einwohner) liegt etwa 30 km südöstlich von Jajce und etwa 100 km nordwestlich von Sarajevo an der Fernstraße M-5 von Donji Vakuf nach Zenica in Zentralbosnien auf dem Gebiet der bosnischen Föderation. Die von viel Grün umgebene Stadt erstreckt sich eingezwängt zwischen den Gebirgen Vlašić im Norden und Vilenica im Süden im Tal des Flusses Lašva auf einer Höhe von ca. 500 m über dem Meeresspiegel.
Bekannt ist Travnik vor allem als Geburtsort des bosnischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Ivo Andrić. Obwohl ein Brand im Jahre 1903 zahlreich historische Gebäude zerstört hat und auch die Kriege des 20 Jhs. nicht spurlos an der Stadt vorübergingen, konnte Travnik seinen orientalischen Charakter aus der türkischen Epoche bis heute bewahren.
Geschichte
Schon vor mehr als 2000 Jahren war die Gegend um Travnik von illyrischen Volksstämmen bevölkert. Damals gab es bereits eine Befestigung an der Stelle, wo heute die Festung von Travnik steht. Älteste Funde der Archäologen deuten jedoch darauf hin, dass die Region schon lange vor den Illyrern von Menschen der Butmirkultur besiedelt war.Ihre erste Blütezeit erlebte die Region nach der Eroberung durch die Römer: Straßen und Siedlungen wurden angelegt und der aufkommende Handel zwischen der Küste Dalmatiens und dem Hinterland sorgte für wirtschaftlichen Aufschwung. Später sicherten der Erzabbau im Tal der Lašva sowie Goldfunde im Sand des Flusses den Wohlstand der Menschen, von dem noch heute Grabstätten in der Gegend zeugen.
Im 6./7. Jh. besiedelten Slawen den Balkan und ließen sich auch in Travnik nieder. In der Folgezeit vermischten sich die Slawen mit der romanischen Bevölkerung.
Im Mittelalter wurde Travnik Teil des ersten bosnischen Staates und gehörte zum Gebiet Gam Lašva, das erstmals im Jahre 1244 in der Schenkungsurkunde des ungarischen Königs an Ban Matthäus Ninoslav erwähnt wurde. Später herrschten Fürst Hrvoje Vukčić und seine Nachkommen über das Gebiet. Bis heute sind Ruinen von Adelshäusern sowie der Festung Kaštel im Nordosten Travniks aus dieser Zeit erhalten.
Unter den Türken wurde Travnik zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt ausgebaut. Von hier aus wurden die Vorstöße in den Süden Bosniens durchgeführt. Dabei diente Travnik mit seiner Festung als Waffen- und Munitionslager für den Nachschub. In der Folge erlebte die Stadt einen großen Aufschwung: Es wurden zahlreiche Moscheen, türkische Bäder, Koranschulen, Uhrtürme sowie Gasthäuser errichtet, von denen viele bis heute erhalten sind.
Als Travnik anstelle von Sarajevo Sitz des Wesirs wurde, gewann die Stadt weiter an Bedeutung: Insgesamt 77 Wesire residierten in der Stadt und Travnik entwickelte sich zum Zenrum des Handels und des Handwerks in Mittelbosnien. 1807 eröffnete Frankreich ein Konsulat in der Stadt und auch Österreich schickte bald einen Konsul nach Travnik.
Als 1851 Wesir Omer Paša Latas seinen Sitz nach Sarajevo verlegte, zogen auch die zahlreichen Beamten aus Travnik ab. Viele Handwerker und Kaufleute schlossen in der Folge ihre Geschäfte, so dass Travnik nach und nach seine Bedeutung als Wirtschaftszentrum Mittelbosniens verlor.
Nachdem 1878 Bosnien auf dem Berliner Kongress Österreich-Ungarn zugesprochen wurde, begann mit dem Einzug der Österreicher auch die Industrialisierung der Stadt. Es entstanden u.a. eine Tabakfabrik und eine Fabrik für Zündhölzer. Bald erhielt Travnik einen Eisenbahnanschluss und 1906 auch elektrische Beleuchtung. Schulen und Krankenhäuser wurden errichtet und die Stadt erlebte einen neuen Aufschwung, der jedoch mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 endete.
Zwischen den Weltkriegen konnte sich Travnik kaum erholen. Im Zweiten Weltkrieg fiel die Stadt schließlich unter deutsche Besatzung, bevor die Region am 22. Oktober 1944 durch Titos Partisanen befreit wurde.
In der kommunistischen Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Travnik mehrere Industriekombinate errichtet. Das 1952 eröffnete Kombinat Borac (bosn.: Kämpfer) beschäftigte bis zu 12000 Arbeiter in 7 Unternehmensbereichen und war damit das größte seiner Art in Jugoslawien. Neben der Produktion und dem Vertrieb von Bekleidungstextilien, Schuhen, Pelz- und Lederwaren sowie Druckerzeugnissen aller Art betrieb das Kombinat auch fast alle Hotels und Tourismuseinrichtungen der Region. Weitere Kombinate waren im Bereich der Holzverarbeitung angesiedelt, z.B. das Kombinat Šipad-Sebašić, welches u.a Sitzmöbel für den amerikanischen Markt produzierte.
Neben der Industrialisierung wurde auch der Aufbau Travniks zu einem medizinischen Zentrum mit einer Klinik für Lungenkrankheiten, einem Altenheim sowie zahlreichen Ambulanzen in der Stadt betrieben. Dennoch war Travnik im ehemaligen Jugoslawien nur eine durchschnittlich entwickelte Stadt. Nur als der aus Travnik stammende Schriftsteller Ivo Andrić 1961 den Nobelpreis für Literatur erhielt, rückte die Stadt für kurze Zeit in das Bewußtsein der Welt.
Stadtrundgang
Die Stadt Travnik wurde am Nordufer der Lašva errichtet und wird von der Fernstraße M-5 in west-östlicher Richtung durchquert. Fährt man nach Osten in Richtung Zenica, so liegt die Altstadt rechter Hand der Fernstraße.Im Osten der Altstadt, direkt an der Fernstraße gelegen, befindet sich das bedeutendste Bauwerk Travniks, die Bunte Moschee (Šarena Džamija). Sie ist am besten über die ul. Donja Čaršija in Verlängerung der ul. Bosanska zu erreichen, die parallel zur Fernstraße als Hauptstraße durch die Altstadt verläft.
Travnik: Bunte Moschee (Šarena Džamija) (2013)
Bereits im 16. Jh. stand an dieser Stelle eine Moschee, die unter ąamil Ahmet Paša grundlegend renoviert und erweitert wurde. Dabei entstand ein dreigeschossiges Gebäude mit Geschäften im Parterre, durch deren Verpachtung die Moschee finanziert werden konnte. Nachdem die alte Moschee 1815 bei einem Brand völlig zerstört wurde, ließ Suleiman Paša Skopljak die Moschee wieder aufbauen und mit kunstvollen, vielfarbigen Verzierungen ausstatten. Seitdem sie im Volksmund den Namen Bunte Moschee (Šarena Džamija), ist aber auch unter dem Namen Sulejmanija Džamija bekannt.
Westlich der Bunten Moschee gelangt man durch die ul. Zenjak zum 1974 rekonstruierten Geburtshaus des Schriftstellers Ivo Andrić. Mit seiner strahlend weiß gehaltenen 1. Etage hebt sich das Haus deutlich von den Grau- und Brauntönen ab, die die Fassaden der Altstadt dominieren. Seit der Rekonstruktion wird das Gebäude als Museum genutzt. Neben Originalausgaben der Bücher Ivo Andrićs und Fotos von der Nobelpreisverleihung 1961 in Stockholm können die umfangreiche Bibliothek, das Arbeitszimmer sowie persönliche Gegenstände Ivo Andrićs besichtigt werden.
Wieder an der ul. Bosanska gelangt man nach wenigen Schritten zum Heimatmuseum (Zavičajni Muzej) der Stadt. Das in den 1950er Jahren eingerichtete Museum hat sich mangels finanzieller Mittel seither nur wenig verändert. Zu sehen sind eine naturkundliche Sammlung, die auf eine Sammlung des städtischen Gymnasiums zurückgeht, sowie archäologische Funde aus der Bronzezeit und der Zeit der Illyrer.
Direkt im Stadtzentrum befinden sich die beiden Grabmäler der Wesire (Turbeta). In der kleinen, einem Mausoleum ähnlichen Grabstätte wurde der Wesir Perišan Mustafa Paša beerdigt. Die 1747 errichtete größere Grabstelle beherbergt die Gräber der Wesire Muhsinzade Abdulah Paša und Dželaludin Paša, der in der Bevölkerung sehr gefürchtet war. Zwischen den beiden Grabstätten befindet sich im Schatten einer Linde ein Brunnen aus türkischer Zeit.
Travnik: Turben der Wesire (2013)
Auf der gegenüberliegenden Seite der ul. Bosanska befindet sich der Torbogen zu einem ehemaligen Gymnasium. Auf dem Gelände sind weitere, nicht so aufwendig gestaltete Turben finden.
Ganz im Westen der Altstadt befindet sich die 1758 fertiggestellte Hadži Ali Beg-Moschee. Der ursprüngliche Bau von Mehmet Paša Kukavica wurde 1865 bei einem Brand bis auf die Grundmauern zerstört. Hadži Ali Beg veranlasste daraufhin den Neubau der Moschee, wobei er sie kunstvoller und aufwändiger gestalten ließ. So befindet sich an der Westseite der Moschee eine Sonnenuhr und eine Inschrift preist mit vielen Worten ihren Erbauer.
Travnik: Hadži Ali Beg-Moschee und Uhrturm (2013)
Direkt neben der Hadži Ali Beg-Moschee steht ein im 18. Jh. errichteter Uhrturm (Sahat Kula). Sein heutiges Aussehen erhielt der Turm nach einer grundlegenden Renovierung im Jahr 1815. Beim großen Brand im Jahr 1903 verlor der Turm sein Holzdach. Dabei wurde auch das Uhrwerk schwer beschädigt. Erst in den 1960er Jahren wurde der Uhrturm wieder instandgesetzt.
Nördlich der Fernstraße M-5, etwa oberhalb der Bunten Moschee führt eine Straße in den Stadtteil Varoš, in dem sich drei weitere Moscheen befinden. An der Straße, die weiter zur Festung hinaufführt, steht ein weiterer, wahrscheinlich bereits im 17. Jh. errichteter Uhrturm (Sahat Kula na Musali). Damit ist Travnik die einzige Stadt in Bosnien-Herzegowina, die über zwei Uhrtürme verfügt.
Die mittelalterliche Festung von Travnik wurde bereits zur Zeit des ersten bosnischen Staates gegründet. Es wird vermutet, dass der bosnische König Tvrtko II. persönlich den Bau anregte. Die Festung wurde zur Abwehr der Türkengefahr mit hohen Mauern ausgestattet, die zum Aufstellen von Kanonen geeignet waren, allerdings erst nach Einnahme der Stadt durch die Türken von diesen fertiggestellt. In der Mitte der terassenförmig angelegten und bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhaltenen Festungsanlage befindet sich ein sechseckiger Turm.
Die Festung diente der Stadt Travnik nicht nur als Schutz vor Angreifern sondern wurde auch als Gefängnis und Hinrichtungsstätte genutzt. Von der Moschee, die sich früher innerhalb der Festung befand, ist heute nur noch das um 1480 errichtete, mehrfach renovierte Minarett erhalten.
Travnik: Blaues Wasser (Plava Voda) und Festung (2013)
Unterhalb der Festungsmauern, im Nordosten Travniks, befindet sich die Quelle des "Blauen Wassers (Plava Voda)". Ihr kristallklares und besonders blaues Wasser mündet nach weniger als einem Kilometer in die Lašva.
Gleich unterhalb der Quelle befindet sich das berühmte Kaffeehaus "Lutvina Kahva". Es verdankt seinen Ruhm nicht zuletzt Ivo Andrić, der in seiner "Travniker Chronik" beschreibt, wie die einflussreichen Travniker Bürger hier damals über die Ankunft des französischen Konsuls diskutierten. Nachdem der österreich-ungarische Kronprinz Rudolf hier eingekehrt war, um einen türkischen Mokka zu trinken, war das Gasthaus auch unter dem Namen "Rudolfs Kaffeehaus" bekannt. Mit zunehmender Bekanntheit wurde das kleine Kaffeehaus immer wieder erweitert.