Sarajevo - Altstadt
Nachdem die Altstadt von Sarajevo während des Bosnienkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, wurden viele der historischen Gebäude wieder in ihrem ursprünglichen Zustand hergerichtet. Auch für die Menschen in Sarajevo ist längst wieder der Alltag eingekehrt, und so bietet gerade die Altstadt von Sarajevo eine ganz besondere Mischung aus europäischer und orientalischer Tradition, die sich nicht nur in der Architektur widerspiegelt: Nirgends sonst sollen Čevapčići, Pita oder Burek so gut schmecken wie in einer der kleinen Čevapdžinicas Sarajevos.
Für eine Besichtigung der Altstadt bietet sich zunächst ein Spaziergang entlang der Hauptachse der Fußgängerzone vom Ewigen Feuer zum Baščaršija-Platz an. Von dort gelangt man entweder nördlich der Altstadt entlang der Mula Mustafe Bašeskije zurück zum Ausgangspunkt, oder man schließt einen Spaziergang am Ufer der Miljacka an.
Baščaršija
Gleich an der Stelle, wo sich die Maršala Tita in die Mula Mustafe Bašeskije und die Ferhadija, die Fußgängerzone, gabelt, befindet sich das Ewige Feuer (Vječna Vatra). Das Denkmal wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Dank für die Befreiung Sarajevos durch die bosnisch-herzegowinischen, kroatischen, montenegrischen und serbischen Kämpfer der juoslawischen Volksarmee errichtet.
Sarajevo: Ewiges Feuer (2008)
Den Anfang der Fußgängerzone dominieren Gebäude aus dem vergangenen Jahrhundert, in denen sich Banken, Boutiquen und Geschäfte niedergelassen haben. Bald erreicht man an der linken Seite die erst im Jahr 2006 wiedereröffnete Markthalle von Sarajevo. Während des Bosnienkrieges erlangte sie traurige Berühmtheit: Mehrfach wurde sie das Ziel von Granatenangriffen, und 1994 forderte einer dieser Angriffe fast 70 Menschenleben.
Schräg gegenüber der Markthalle öffnet sich auf der rechten Seite der Trg Oslobođenja (Platz der Freiheit). In der kleinen Parkanlage befinden sich u.a. Bronzebüsten der Schriftsteller Ivo Andrić, Meša Selimović und Branko Ćopić.
An der Ostseite des Platzes befindet sich die neue serbisch-orthodoxe Kirche (Saborna Crkva). Sie wurde 1863-1869 im russisch-byzantinischen Stil mit Einflüssen des Barock errichtet. Der Glockenturm wurde wenige Jahre später fertiggestellt. In der Kirche befinden sich zum Teil vergoldete Ikonen, die von Künstlern in einem russischen Kloster geschaffen wurden.
Sarajevo: Orthodoxe Kirche (2008)
Folgt man der Ferhadija weiter, so erreicht man bereits nach wenigen Schritten den Trg Fra Grge Martića. Hier befindet sich die am Ende des 19. Jhs. nach Plänen des Architekten Josip Vančas errichtete römisch-katholische Kathedrale von Sarajevo (Sarajevska katedrala). Bereits fr&uumml;her gab es an dieser Stelle eine katholische Kirche, die jedoch beim Angriff von Prinz Eugen 1697 zerstört wurde.
Geht man vom Kirchvorplatz weiter in östlicher Richtung, so erreicht man bald die Ende des 16. Jhs. errichtete und im 18. Jh. vollständig restaurierte Ferhadija-Moschee. Das Gebäude befindet sich - von hohen Bäumen fast versteckt - hinter einem kleinen muslimischen Friedhof an der rechten Seite des Weges.
Ein paar Schritte weiter erreicht man den Gazi Husrev Beg-Bezistan, einen von ehemals drei Basaren in Sarajevo. Das Basargebäude wurde zwischen 1531 und 1555 von Dubrovniker Baumeistern errichtet und in den Jahren 1697 und 1879 bei Bränden zweimal schwer beschädigt. Sein heutiges Aussehen erhielt das Gebäude bei Restaurationsarbeiten im Jahr 1971. Früher wurden in dem 110 m langen und 20 m breiten Gebäude vorwiegend Stoffe und Tücher verkauft. Heute befinden sich in den Gewölben entlang des durchgehenden Mittelganges etwa 50 moderne Ladengeschäfte mit einem breiten Warenangebot.
Östlich des Basargebäudes verläuft die Gazi Husrev Begova. Hier befindet sich der vermutlich im 17. Jh. errichtete 30 m hohe Uhrturm (Sahat kula). Direkt daneben befand sich der Sitz des Astronomen, der für die korrekte Anzeige der Zeit zuständig war. Hier gab es auch eine von Gazi Husrev Beg eingerichtete Armenküche. Sie wurde nicht nur von Bedürftigen aufgesucht sondern auch von den Angestellten des Beg als Kantine genutzt. Daneben befand sich ein Imet, eine Herberge in der jeder bis zu drei Tagen kostenlos Unterkunft fand.
Folgt man wieder dem ursprünglichen Weg in östlicher Richtung, so erreicht man bald die Gazi Husrev Beg-Moschee. Sie wurde 1525-1531 erbaut und trägt den Namen ihres Erbauers. Im Volksmund wird sie jedoch einfach "Begova džamija" (Moschee des Beg) genannt. Die Moschee gilt als eindrucksvollste und größte ihrer Art in Bosnien-Herzegowina und als eines der wichtigsten Zeugnisse aus der frühen Epoche der osmanischen Baukunst, das bis heute erhalten ist. Baumeister war nicht, wie früher angenommen wurde, der berühmte Mimar Sinam, der auch die Brücke über die Drina errichtet hat, sondern Adžem Esir Ali, neben Mimar Hajrudin, dem Erbauer der Alten Brücke in Mostar, einer seiner wichtigsten Schüler.
Sarajevo: Gazi Husrev Beg-Moschee (2008)
Die Gazi Husrev Beg-Moschee besitzt ein 47 m hohes Minarett sowie einen 13 m breiten, quadratischen Gebetsraum, der von einer 26 m hohen Kuppel überragt wird. Der Zugang erfolgt durch eine von fünf kleineren Kuppeln überdachte Vorhalle mit Marmorsäulen. Der Innenraum der Moschee ist reich mit Koranversen, Arabesken und Dekorationen verziert, die zumeist jedoch erst im 18. Jh. entstanden. Die kostbaren Teppiche auf dem Boden sind zum großen Teil Gastgeschenke von muslimischen Staatsoberhäuptern, die die Moschee besucht haben. Rechts vom Eingang befindet sich die Minbar, die Kanzel für die Freitagspredigten. Links daneben ist die nach Mekka ausgerichtete Gebetsnische, die Mihrab, eingebaut. Links vom Haupteingang befindet sich die Maksur, eine eingezäunte Loge, die früher Fürsten und anderen bedeutenden Personen vorbehalten war und heute hauptsächlich von Touristen genutzt wird. Von hier aus ist es auch Andersgläubigen möglich, die Zeremonien zu verfolgen, ohne an ihnen teilzunehmen.
Der überdachte Brunnen für die rituellen Waschungen der Moslems (Šadrvan) im Hof der Gazi Husrev Beg-Moschee bietet Platz für zwölf Gläubige. Früher wurde im Winter das Wasser für die Waschungen in einer Ecke des Hofes erwärmt. Linkerhand vom Brunnen befinden sich zwei Türben, mausoleumsartige Grabstellen, in denen sich die Gräber des Gazi Husrev Beg (1541) und des ersten Verwalters der Moschee, Gazi Murad Beg (1546), befinden.
Gegenüber der Moschee befindet sich die Gazi Husrev Beg-Medresse, die im Volksmund wegen ihrer Bleibedachung oft auch als Kuršumlija (türkisch: Kuršum - Blei) bezeichnet wird. Gazi Husrev Beg ließ die Medresse 1537 angeblich zum Andenken an seine verstorbene Mutter errichten. Baumeister war wiederum Adžem Esir Ali. Obwohl die Medresse nur über einen einzigen großen Vorlesungsraum und zwölf kleinere Studierzimmer verfügt, galt sie zu ihrer Zeit als wichtigste Bildungsstätte des Landes und wird heute gerne als Vorläufer der Universität von Sarajevo gesehen.
Hat man Moschee und Medresse passiert, so erreicht man auf der linken Seite das Morići-Han, das seit seiner letzten Restaurierung als Restaurant genutzt wird. Das Han wurde im 16./17. Jh. als Karawanserei erbaut und diente ursprünglich den Kaufleuten als Unterkunft. Neben den Unterkünften in der ersten Etage besaß das Han im Erdgeschoss mehrere Säulenhallen, einen Pferdemarkt und ein Kaufhaus und galt damit als besonders reich ausgestattet. Seinen heutigen Namen bekam das Han erst im 19. Jh. von seinem damaligen Besitzer Mustafa Morić. Historische Bedeutung erlangte das Morići-Han als konspirativer Treffpunkt von Verschwörern, die von hier aus Aufstände gegen die Türken und später gegen die Österreicher planten.
Vom Morići-Han sind es nur noch wenige Schritte bis zum Hauptplatz der Baščaršija. Der Platz diente bereits im Mittelalter als Marktplatz und entwickelte sich in der Türkenzeit zum zentralen Handelsplatz Sarajevos. In der Folge siedelten sich in seiner Nähe die unterschiedlichsten Handwerksbetriebe an. Dabei bekam jedes Handwerk seine eigene Gasse; so gab es z.B. eine eine Gasse der Schmiede, der Schuhmacher oder der Goldschmiede. Am bekanntesten ist sicher die Gasse der Kupferschmiede (Kazandžiluk), in der bis heute traditionelle Handwerksbetriebe zu finden sind.
Neben Handwerksbetrieben siedelten sich nahe der Baščaršija auch Dienstleister für die Händler und Kaufleute an, und es entstanden Hans, die Unterkunft für Händler und Tiere boten, Warenmagazine und Bezistans, in denen die Waren angeboten wurden.
Sarajevo: Baščaršija-Platz mit Moschee (2008)
Heute wird der Baščaršija-Platz vor allem von der im Jahr 1550 errichteten Moschee an der Südostseite des Platzes sowie dem öffentlichen Brunnen in der Mitte des Platzes (Sebilj-Brunnen) dominiert. Bereits 1754 ließ der bosnische Wesir Mehmed Paša Kukavica etwas unterhalb des heutigen Standorts einen Brunnen bauen. Dieser brannte jedoch 1852 ab und wurde 1891 durch den heutigen, im pseudo-maurischen Stil errichteten Brunnen ersetzt.
Am südwestlichen Ende des Platzes befindet sich der zweite noch erhaltene Basar in der Baščaršija, der Brusa Bezistan. Er ist mit 27 m Länge und 17 m Breite deutlich kleiner als der Gazi Husrev Beg-Bezistan. Das massive Steingebäude verfügt über ein Dach aus sechs Kuppeln, das von zwei zusätzlichen Säulen getragen wird. Es wurde im Jahr 1551 unter Großwesir Rustem Paša erbaut. Die außen an das Hauptgebäude angebauten Läuden wurden erst später errichtet. Sie weisen alle eine hölzerne Ladenfront mit großen Fenstern und niedrigen Sitzreihen vor den Fenstern auf.
Am nördlichen Ende des Platzes, bereits auf der anderen Seite der Straße, befindet sich die Čekrekčija-Moschee. Sie wurde bereits 1525 fertiggestellt und zählt damit zu den ältesten Kuppelmoscheen in Sarajevo.
Nördlich der Baščaršija
An der Nordseite des Baščaršija-Platzes verläuft die Mula Mustafe Bašeskije. Sie ist eine der Hauptverkehrsadern der Stadt und wirkt zunächst nur wenig sehenswert. Hier befinden sich jedoch einige interessante Gebäude, so dass es sich durchaus lohnt, auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt des Stadtrundgangs diese Straße zu benutzen.Die alte serbisch-orthodoxe Kirche wurde erstmals im Jahr 1539 erwähnt. Angeblich wurde sie jedoch schon viel früher vom Bruder des berühmten, in der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) gefallenen Feldherrn Marko Kraljević auf einem älteren Vorgängerbau errichtet. Dabei entsprach das Gebäude nicht dem damals üblichen Baustil serbisch-orthodoxer Kirchen. Auch im Innenraum ist der islamische Einfluss deutlich zu erkennen, denn für die weiblichen Gläubigen wurde eine Galerie eingebaut, auf der sie von Männerblicken abgeschirmt sind.
Der Boden der Kirche liegt etwa einen Meter tiefer als die umgebende Erdoberfläche. Bislang ist nicht klar, ob sich das Niveau der Umgebung im Lauf der Zeit gehoben hat, oder ob die Kirche bewusst in die Erde gebaut wurde. Der Kirchturm wurde erst im 19. Jh. an die Kirche angefügt. Daneben gab es früher auch eine serbische Schule sowie ein Magazin, in dem sich heute ein kleines Museum befindet. Hier wird die wertvolle Ikonensammlung der Kirche ausgestellt, die Werke aus der Zeit vom 14. bis zum 19. Jh. umfasst.
Westlich der Kreuzung mit der Gazi Husrev Begova erreicht man bald die alte Synagoge von Sarajevo. Sie wurde als dreischiffiger Bau mit einer Galerie im 16. Jh. von sephardischen Juden errichtet, die aus Spanien geflohen waren. Anlässlich des 400. Jahrestages der Ankunft der Juden in Sarajevo wurde 1966 in dem Gebäude ein Museum eingerichtet. Direkt neben der alten Synagoge befindet sich ein Neubau aus dem 19. Jh., der heute als Ausstellungsraum genutzt wird.
Nur wenig weiter erkennt man auf der linken Straßenseite die Rückseite der römisch-katholischen Kathedrale. Ihr gegenüber befindet sich das Gazi Husrev Beg-Hamam. Es wurde im 16. Jh. errichtet und ist das einzige von ursprünglich sieben türkischen Bädern, das bis heute erhalten ist. Das Bad galt als besonders exklusiv, denn es besaß getrennte Bereiche für Frauen und Männer mit jeweils eigenen Warteräumen. Neben Baderäumen gab es Schwitz- und Dampfbäder, für die das Wasser in gesonderten Räumen aufbereitet wurde. Heute wird das Gebäude, nachdem es in den 1980er Jahren umgebaut wurde, als Café genutzt und beherbergt mehrere Kiosks sowie kleinere Geschäfte.
Folgt man der Hauptstraße weiter, so erreicht man linkerhand bald die Markthalle und etwas weiter wieder den Ausgangspunkt des Stadtrundgangs, das Ewige Feuer.