Ulcinj
Ulcinj (kyrillisch: Улцињ/albanisch: Ulqin, 20000 Ew.) ist die südlichste Stadt an der montenegrinischen Adriaküste. Die Stadt liegt etwa 28 km südlich von Bar und nur ca. 15 km von der albanischen Grenze entfernt an der Küstenstraße.
Südlich von Bar verschwindet das Küstengebirge, das sonst die gesamte montenegrinische Adriaküste begleitet, zunehmend, bis man bei Ulcinj schließlich eine Tiefebene erreicht. Sie ist geprägt vom fruchtbaren und sumpfigen Marschland des Flusses Bojana, der vom Skutarisee in die Adria fließt.
Bewohnt ist die Gegend vorwiegend von Montenegrinern mit albanischer Abstammung, was man gut an den zweisprachigen Straßenschildern erkennen kann. Daher ist die Küste bei Ulcinj vor allem auch bei Urlaubern aus dem Kosovo sehr beliebt.
Nicht nur im stark von der osmanischen Vergangenheit geprägten Stadtbild mit zahlreichen Moscheen, die über die Stadt verteilt sind, unterscheidet sich Ulcinj deutlich von den übrigen Orten an der Adriaküste. Auch Kultur und Mentalität der Menschen unterscheiden sich stark von der im Norden.
Geschichte
Als sich im 5. Jh. v.Chr. griechische Kolonisten im Bereich der heutigen Stadt Ulcinj niederließen, war das Gebiet bereits von illyrischen Stämmen besiedelt. Auch in der Folgezeit stand der Ort unter dem Einfluss der wechselnden illyrischen Königreiche, bis er 168 v.Chr. als Olcinium (benannt nach dem illyrischen Stamm der der Olcinjaten) unter römische Herrschaft kam. Anders als der römische Chronist Titus Livius nennt Plinius der Ältere etwa hundert Jahre später die Kolchern, ein Volk aus der Schwarzmeerregion im Bereich des heutigen Georgien, als Namensgeber der Stadt, die er in seiner Naturalis historia unter dem Namen Colchinium nennt.Auch wenn die Herkunft des Namens nicht mehr geklärt werden kann, entwickelte sich Ulcinj unter der Herrschaft Roms zu einem Municipium, d.h. einer eigenständigen Stadt römischen Rechts, die nach Teilung des Römischen Reiches als Teil der Provinz Praevallis an Ostrom fiel. Nachdem die Bevölkerung das Christentum angenommen hatte, wurde Ulcinj in der Spätantike Bischofssitz und blieb es mit Unterbrechungen bis zum Beginn der Türkenherrschaft.
Vom 9.-12. Jh. stand Ulcinj unter der Herrschaft serbischer Fürsten und gehörte abwechselnd den Fürstentümern von Zeta (Duklija) und Raszien, kurzzeitig auch dem Nemanjiden-Staat an. In dieser Zeit entwickelte sich die Stadt zu einem wichtigen Handels- und Seefahrtszentrum des serbischen Staates. Ab 1355 übernahm die serbische Herrscherfamilie der Balšići die Herrschaft über die Region und damit auch über Ulcinj.
Zwischen 1421 und 1571 stand die Stadt mehrfach unter venezianischer Herrschaft, blieb zumeist jedoch faktisch unabhängig. Ihre Einwohner, die Dulcinoten waren gefürchtete Piraten in der Adria. Auch der spanische Schriftsteller Miguel Cervantes soll hier für einige Jahre inhaftiert gewesen sein. Zumindest soll ihn die Stadt zum Namen Dulcinea der Angebeteten in dem Epos Don Quichote inspiriert haben.
Von 1571 bis 1880 war Ulcinj Teil des Osmanischen Reiches. Eine 1718 unter Feldmarschall Johann Matthias von der Schulenburg begonnene Belagerung durch venezianische Truppen - zur See und zu Land - wurde aufgrund des Friedens von Passarowitz wieder aufgehoben. Erst im Befreiungskrieg gegen die Türken gelang es am 20. Januar 1878 den Montenegrinern, Ulcinj einzunehmen. Beim Abschluss des Vorfriedens von San Stefano wurde die Stadt von den Russen allerdings Venedig zugesprochen, während Montenegro nur ein paar Dörfer am Skutarisee bekam. Doch der Berliner Kongress revidierte die Vereinbarungen von San Stefano und sprach die Stadt schließlich Montenegro zu.
Das Osmanische Reich weigerte sich jedoch zunächst, die Stadt zu räumen. Erst nach einer Intervention der Großmächte, unter anderem durch eine gemeinsame Flottendemonstration vor der türkischen Küste, gaben die Osmanen nach, so dass Ulcinj am 30. November 1880 endgültig dem Fürstentum Montenegro angeschlossen werden konnte.
Stadtrundgang
Die Stadt Ulcinj wurde an einer engen Bucht errichtet, die einen gut geschützten, natürlichen Hafen bildet. Die befestigte Altstadt liegt auf dem felsigen Hügel an der Westseite dieser Bucht. Anders als in Budva, Kotor oder Bar diente sie ursprünglich rein militärischen Zwecken.Die Zitadelle am höchsten Punkt der Altstadt wurde wahrscheinlich schon in frühserbischer Zeit (1183-1421) angelegt und unter venezianischer Herrschaft weiter ausgebaut und verstärkt. Das verwendete Zyklopenmauerwerk, bestehend aus unterschiedlich großen, sorgfältig geschichteten Steinen, erwies sich als so stabil, dass es selbst schwere Erdbeben - 1444 versank ein Teil des alten Ulcinj bei einem Erdbeben im Meer - fast unbeschadet überstand und während der Türkenzeit nicht erweitert werden musste.
Auffälligstes Bauwerk innerhalb der Altstadt ist der viergeschossige Balšić-Turm im südlichen Teil der Anlage. Er beherbergt heute das Heimatmuseum der Stadt mit einer Sammlung von Trachten, Werkzeugen und Alltagsgegenständen. Im Innenhof finden im Sommer Theatervorstellungen kosovarischer Ensembles statt.
Ulcinj: Balšić-Turm (2014)
Das Gebäude rechts neben dem Eingang zur Altstadt wurde entweder 1510 oder 1569 (je nach Inschrift) als orthodoxe Kirche errichtet. Unter osmanischer Herrschaft wurde es 1693, nachdem ein Minarett angebaut und Modifikationen an den Fenstern vorgenommen wurden, in eine Moschee umgewandelt. Heute befindet sich in dem Gebäude eine kleine archäologische Sammlung mit einem aufwendig gearbeiteten Modell der Altstadt.
Ulcinj: Moscheekirche (2014)
Das Stadtbild außerhalb der Altstadt wird von zahlreichen Moscheen sowie dem weithin sichtbaren Uhrturm aus türkischer Zeit bestimmt: Eine der ältesten Moscheen von Ulcinj ist die Ende des 17. Jhs. errichtete Sinan-Paša-Moschee an der Hafiz Ali Ćinaku, nur wenige Schritte nordöstlich der Altstadt. Zu der Moschee gehört auch ein türkisches Bad (Hamam).
Folgt man der Straße in den Stadtteil Nova Varoš (Neustadt), so gelangt man zu der Namazdjah-Moschee mit dem 1754 errichteten Uhrturm (Sahat kula) der Stadt, der die umliegenden Häuser weit überragt. Der Turm ähnelt in seiner Bauweise sehr den Uhrtürmen in Podgorica oder Stari Bar. Nur wenige Schritte in westlicher Richtung entfernt, in der Nähe des Kreisverkehrs, steht die Ljamina-Moschee aus dem Jahr 1689, ebenfalls eine der ältesten Moscheen der Stadt.
Ulcinj: Uhrturm (2014)
Östlich des Uhrturms, am Bulevar George Kastrioti, befindet sich die größte Moschee der Stadt, die Bregut-Moschee. Gegenüber befindet sich der Grünmarkt (Zeleni Pijaca) der Stadt. Er ist wegen der Vielfalt der von den Bauern aus der Umgebung angebotenen Waren und seines urtümlichen Erscheinungsbildes besonders sehenswert.
Bademöglichkeiten
Unmittelbar neben der Altstadt, am Ende der Bucht, befindet sich der Kleine Stadtstrand (Mala Plaža / Plazhi i vogël). Er besteht aus feinem, dunklen Sand und ist in der Hauptsaison zeitweise so überfüllt, dass die Badegäste anstatt zu liegen lieber stehen, um die Kapazität des Strandes zu erhöhen.
Ulcinj: Mala Plaža (2014)
Etwa ein Kilometer südöstlich der Altstadt, unterhalb des Hotels Albertos, befindet sich der Frauenstrand (Plaža za žene) - der einzige Strand an der Adriaküste, dessen Zutritt geschlechtsspezifisch geregelt ist: Hier haben nur Frauen und Kinder bis 5 Jahre Zutritt. Eine Steintreppe führt auf den Kiesstrand hinab, der von Pinien und großen Felsen umgeben ist und den Frauen so Schutz vor neugierigen Blicken gewährt. Beliebt ist der Frauenstrand vor allem auch wegen seiner schwefelhaltigen Quellen, denen eine fruchtbarkeitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. Daher wird der Strand oft auch von Frauen mit einem unerfüllten Kinderwunsch aufgesucht.
Neben dem vollsten Strand und dem einzigen Frauenstrand hat Ulcinj auch den längsten Strand an der gesamten Adriaküste zu bieten: Etwa zwei Kilometer außerhalb der Stadt in südlicher Richtung beginnt der Große Strand (Velika Plaža / Plazhi i madh), der sich auf einer Länge von 13 km bis zur Mündung der Bojana kurz vor der Grenze zu Albanien erstreckt. Er besteht aus feinem, dunklen Sand, der aufgrund seiner leichten Radioaktivität eine heilende Wirkung haben soll. Dabei fällt der bis zu 100 m breite Strand nur sehr langsam im Meer ab, so dass er besonders gut für Familien mit kleinen Kindern geeignet ist.
Ulcinj: Velika Plaža (2014)
An einigen Stellen wird der Strand kostenpflichtig bewirtschaftet. Hier findet sich dann auch das übliche Angebot an Aktivitäten wie Tretbootfahren oder Drachenfliegen. Zu erreichen ist der Strand von der etwa einen Kilometer entfernten Küstenstraße, die parallel zum Strand hinter dem sandigen Küstenstreifen verläuft. Von Ulcinj verkehren im Sommer aber auch Taxiboote an den Strand.
Ada Bojana
Im Mündungsbereich des Flusses Bojana (albanisch: Buna), der vom Skutarisee in die Adria fließt, liegt die ca. 600 ha große, nahezu dreieckige Insel Ada Bojana (kyrillisch: Ада Бојана). Sie gehört noch zu Montenegro, während der südliche Mündungsarm der Bojana bereits die Grenze zu Albanien markiert.
Ulcinj: Bojana-Mündung (2014)
Entstanden ist die Insel, nachdem 1858 das kroatische Schiff Merito zwischen zwei kleineren Inseln im Bereich der Bojana-Mündung unterging. Mit der Zeit lagerte sich Sand aus dem Fluss ab und bildete eine Sandbank, die bald die beiden Inseln verband. Durch weitere Aufspülung entwickelte sich daraus die Insel in ihrer heutigen Ausdehnung.
Ada ist vor allem wegen seiner bereits in den 1950er Jahren entstandenen FKK-Feriensiedlung bekannt, die bei westeuropäischen Touristen sehr beliebt ist. Die gesamte Insel mit ihrem 2500 m langen, dunklen Sandstrand ist striktes FKK-Gelände und darf nicht in Kleidung betreten werden.
Auf der Insel Ada endet auch die Küstenstraße in einer Sackgasse, nachdem sie kurz vor Erreichen des Mündungsarms der Bojana scharf rechts abknickt. Nur eine kleine Straße zweigt vorher ab und führt in die Nähe des Skutarisees zum Grenzübergang Sukobin nach Albanien.