Počitelj
Das mittelalterliche Städtchen Počitelj (1000 Einwohner) liegt etwa 30 km südlich von Mostar am linken Ufer der Neretva, kurz bevor sich das Tal bei Metković zum Neretva-Delta weitet. Über viele Jahrhunderte war die Geschichte des Ortes mit den Osmanen verbunden, und auch heute noch hat Počitelj sein orientalisches Stadtbild bewahrt. Daher wird die Stadt auch als das "türkische Herz Bosniens" bezeichnet.
Der Name der Stadt leitet sich möglicherweise vom italienischen Wort cittadela (Zitadelle) ab, womit Počitelj soviel wie "Ort unter der Zitadelle" bedeutet.
Geschichte
Erste Erwähnung finden Burg und Siedlung Počitelj als Teil der Pfarre Dubrava im Jahr 1444 in einer Urkunde des damaligen Herzogs Stjepan Vukčić Kosača, der vom nur wenige Kilometer entfernten Ort Blagaj die Region beherrschte. Wahrscheinlich wurde der Ort aber bereits im 12. Jh. gegründet und 1383 unter dem bosnischen König Tvrtko I. befestigt.
Počitelj: Festung (2007)
Als die Türken in der zweiten Hälfte des 15. Jh. immer weiter nach Westen vordrangen und bereits große Teile Bosniens erobert hatten, richtete der ungarisch-kroatische König Matthias Corvinus in Počitelj ein Militärlager ein und ließ die Festung systematisch ausbauen. Dabei bekam er finanzielle und logistische Unterstützung von der Republik Ragusa (Dubrovnik), die u.a. in der Nähe des Ortes eine Brücke über die Neretva errichten ließ und mit Paskoje Miličević zeitweise den Baumeister für den Ausbau der Festung stellte.
Am 19. September 1471 fiel Počitelj nach mehreren erfolglosen Angriffen doch an die Türken. Gleichzeitig wurden die Verteidiger bis an die Neretva-Mündung zurückgedrängt. Damit hatten die Türken einen strategisch wichtigen Sieg errungen: Von Počitelj konnten sie die im Tal der Neretva - dem einzigen Durchbruch durch das Dinarische Gebirge - verlaufende Straße von der Adria nach Sarajevo kontrollieren. Somit stand der weiteren Eroberung Bosniens und der westlichen Herzegowina nichts mehr im Wege.
Bald begann auch die Republik Ragusa, die zuvor noch die Verteidiger unterstützt hatte, Handelsbeziehungen mit dem neuen Nachbarn aufzubauen, und mit großzügigen Geschenken sicherte man sich das Wohlwollen der neuen Herrscher.
Unter osmanischer Herrschaft wurde Počitelj zum Bollwerk gegen das noch immer von Venedig beherrschte Dalmatien ausgebaut, und es wurden fast 400 Soldaten im Ort fest stationiert. Bereits im 16. Jh. wurde der Ort daher stark erweitert und ausgebaut. Nach 1600 folgten die für orientalische Städte typischen Gebäude: Es wurden ein Bad (Hamam), eine Koranschule (Medrese), ein Gasthaus (Han) und ein Uhrturm (Sahat kula) errichtet, und Počitelj stieg zu einer der modernsten und bedeutendsten Städte der Region auf.
Als nach der Niederlage der Türken bei Wien (1683) eine Phase der Schwäche begann, wurden in Počitelj die Stadtmauern abermals verstärkt. Dennoch gelang es 1693 den Venezianern mit Hilfe der aufgrund der hohen Steuern unzufriedenen Bevölkerung, die Stadt zu erobern. Erst 1718 fiel sie wieder an die Türken.
Die Bedeutung von Počitelj kann man auch daran erkennen, dass die Stadt 1782 Gemeindesitz über 30 Ortschaften der Umgebung wurde, darunter auch Stolac und Blagaj, das im 15. Jh. - zu Beginn der Türkenzeit - selbst Verwaltungssitz war.
Im Jahr 1878 endete die osmanische Herrschaft in der Herzegowina, und das Gebiet wurde wie die Küstengebiete Österreich-Ungarn unterstellt. Nach fast 400 Jahren befand sich Počitelj nun nicht mehr im Grenzgebiet und verlor daher - anders als die benachbarte Stadt Mostar - zunehmend an Bedeutung.
Nach dem Bau der Fernstraße von der Küste nach Sarajevo in den 1960er Jahren wurde Počitelj für den Tourismus entdeckt. In der Folgezeit wurde der Ort restauriert und bekam den Charakter eines Freilichtmuseums.
Im Bosnienkrieg 1992-1995 wurde die Stadt zunächst von serbischen Truppen, dann von der bosnisch-kroatischen Armee angegriffen. Dabei wurde Počitelj im August 1993 teilweise zerstört. Betroffen waren vor allem die Moschee, der Hamam, der Han sowie andere osmanische Häuser. Auf der nur wenig beschädigten Burg wurde ein Holzkreuz als Siegeszeichen errichtet. Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau des Ortes mit Hilfe der UNO. Er wurde im Jahr 2002 weitgehend abgeschlossen.
Stadtrundgang
Die Festung oberhalb der Stadt wurde erstmals 1444 erwähnt und in der Folgezeit mehrfach erweitert und ausgebaut. Mit ihrem achteckigen Festungsturm dominiert sie weithin sichtbar das Neretva-Tal. Die Festung wurde kaum beschädigt und ist noch in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Von oben hat man einen einzigartigen Ausblick auf die Stadt und die Umgebung.
Počitelj: Festung und Uhrturm (2005)
Etwas unterhalb der Festung befindet sich der 1664 von Šišman Ibrahim Paša in Auftrag gegebene Uhrturm (Sahat kula). Er besitzt eine quadratische Grundfläche von 3,22 mal 3,26 m und hat mit einer Höhe von 16 m eine ungewönlich schlanke Form. Die Glocken wurden 1917 von den Österreichern zur Produktion von Munition eingeschmolzen.
Die Moschee von Počitelj wurde 1562/63 von Hadschi Alija erbaut. Im Volk trägt sie jedoch den Namen von Šišman Ibrahim Paša, der sie im 17. Jh. erweitern und ausbauen ließ. Das Gebäude hebt sich durch einige Details von anderen Moscheen aus dieser Epoche ab: So besitzt die Moschee ein ungwöhnlich hohes und reich verziertes Minarett, welches schon von Weitem sichtbar ist. Ungewöhnlich ist auch die mit drei Kuppeln versehene Vorhalle, von der aus man durch eine kunstvoll gestaltete Tür ins Innere der Moschee gelangt.
1993 wurde die Moschee von der kroatischen Armee beim Versuch, sie zu sprengen, schwer beschädigt. Dabei wurde das Minarett völlig zerstört. Mittlerweile wurde die Moschee aber wieder in ihrem ursprünglichen Zustand aufgebaut.
Počitelj: Moschee und Medrese (2007)
Die Koranschule (Medrese) wurde wie der Uhrturm im Jahr 1664 von Šišman Ibrahim Paša errichtet. Sie besitzt fünf kleinere und ein großes Lernzimmer - jedes von einer eigenen Kuppel überdacht - und diente während der Türkenzeit als wichtige islamische Bildungsstätte, in der u.a. islamische Schriften kopiert wurden. Neben der Medrese ließ Ibrahim Paša auch eine kleine Bibliothek errichten. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Medrese lange Zeit als Hotel und Restaurant.
Hinter der Medrese befindet sich das Gavrenkapitanović-Haus. Es entstand im späten 18. Jh. und gilt als beispielhaftes Gebäude orientalischer Wohnarchitektur. Ab 1961 entstand in dem Komplex eine internationale Künstlerkolonie mit Unterkünften, Werk- und Atelierräumen. Im Bosnienkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt. Nach dem Ende des Krieges wurde es aber wieder restauriert.
Im Gegensatz dazu wurde das im 17. Jh. errichtete türkische Bad (Hamam) im Bosnienkrieg 1993 komplett zerstört. Das Wasser für das Bad wurde über ein einzigartiges System von Wasserrädern aus der Neretva in das Bad geleitet.